Nur mehr wenige Tage, dann kommt auf Österreichs Unternehmen eine neue Regelung zu: die neue Pflegekarenz. Gemeinsam mit der Pflegeteilzeit. Diese beiden Instrumente sollen Arbeiternehmer_innen entlasten, die Angehörige pflegen. Zudem sollen Ausstiege aus dem Job verhindert werden. Aber die neuen Auszeitenmöglichkeiten fordern die Unternehmen auch in ihrer Organisation. Im Sinne eines nachhaltigen Personalmanagements ist es für die Arbeitgeber_innen also höchste Zeit, sich darauf vorzubereiten. Denn es ist derzeit nicht absehbar, wie viele Inanspruchnahmen es ab dem 1. Jänner 2014 geben wird.
Unterstützung für pflegende Mitarbeiter_innen
Inhalt der beiden neuen Modelle ist, dass Mitarbeiter_innen, die Angehörige pflegen, entweder eine befristete Auszeit nehmen können (Pflegekarenz) oder ihre Arbeitszeit für eine gewisse Zeit reduzieren können (Pflegeteilzeit). Innerhalb dieser Zeit erhalten sie ein „Pflegekarenzgeld“ bzw. ein aliquotes „Pflegekarenzgeld“.
Die neue Regelung im Überblick:
Pflegekarenz |
Pflegeteilzeit |
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Dauer | 1 – max. 3 Monate | |
Voraussetzung |
Zu pflegende/r nahe/r Angehörige/r fällt in Pflegegeldstufe 3 oder höher (= mehr als 120 Stunden benötige Pflege pro Monat). Bei Kindern oder Menschen mit Demenz schon ab Pflegegeldstufe 1. Das Dienstverhältnis besteht seit mehr als 3 Monaten. |
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Stundenausmaß |
Volle Freistellung gegen Entfall des Entgelts. |
Die Arbeitszeit kann auf minimal 10 Wochenstunden reduziert werden. |
Finanzielle Unterstützung | Pflegekarenzgeld in Höhe des Arbeitslosenentgelts, max. € 1.400 pro Monat. | Aliquotes Pflegekarenzgeld in Höhe des Arbeitslosenentgelts, max. € 1.400 pro Monat. |
Versicherung |
Bezieher sind weiterhin pensions- und krankenversichert. Kein Einfluss auf Arbeitslosenversicherung, Anwartschaft auf Abfertigung bleibt aufrecht. |
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Rechtsanspruch | Keiner – der Arbeitgeber muss zustimmen. | |
Besonderheiten |
Neue Inanspruchnahme bei wesentlicher Verschlechterung möglich. Auch Partner_innen können auf einander folgend in Pflegekarenz /-teilzeit gehen. |
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Ansprechpartner |
Bundessozialamt – www.bundessozialamt.gv.at Hilfe und Informationen für Betroffene auch am Österreichischen Pflegetelefon des BMASK unter der kostenfreien Nummer 0800 20 16 22. |
Für Akutfälle, also plötzlich auftretendem Pflegebedarf, gibt es außerdem ein beschleunigtes Verfahren der Feststellung der Pflegegeldstufe. Das bedeutet praktisch, dass ab Antrag muss innerhalb von zwei Wochen entschieden werden, welche Pflegegeldstufe zusteht.
Was im Vorfeld bereits für einige Diskussion gesorgt hat ist, dass die Leistung freiwilig ist. Der/die Arbeitgeber_in muss also – ähnlich wie bei der Bildungskarenz – dem Antrag des/der Mitarbeiters/Mitarbeiterin zustimmen. Zumal hier allerdings in der Regel eine sehr belastende Situation für Arbeitnehmer_innen vorliegt und diese daher meist ohnehin nur mit einem halben Kopf bei der Arbeit sind, ist die Ermöglichung einer Pflegekarenz für verantwortungsvolle Arbeitgeber_innen wohl ein Muss.
Um die daraus entstehenden Lücken gut überbrücken zu können und eine wertvolle Unterstützung für pflegende Mitarbeiter_innen zu leisten, sollten sich Arbeitgeber_innen daher jetzt bereits vorbereiten.
Vorbereitung auf Pflegekarenz und -teilzeit
Die demografische Entwicklung in Österreich verrät uns, dass das Thema Pflege eines des wesentlichsten Themen und Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte sein wird. Zur Zeit gibt es in Österreich etwa 432.000 Bezieher_innen von Pflegegeld in den unterschiedlichen Stufen. Rund 4,1 Millionen Menschen arbeiten in Österreich. Der Betroffenheitsgrad lässt sich also erahnen. Die Zahl der Pflegegeldbezieher_innen wird allerdings bei gleichbleibender Entwicklung auf rund eine Million anwachsen bis 2050, bei einer nahezu gleichbleibenden Zahl an Beschäftigten. Unternehmen werden also wesentlich öfter mit dem Thema der Pflege konfrontiert sein als sie es heute sind.
Hauptsächlich betroffen bzw. diejenigen, die überdurchschnittlich oft die Aufgabe der Pflege übernehmen, sind Frauen zwischen 40 und 60 Jahren. Diese fehlen dann dem ohnehin schon angespannten Arbeitsmarkt.
Hier einige aus meiner Sicht wesentliche Schritte und Überlegungen für Arbeitgeber_innen, die vorbereitet sein wollen:
1.) Eine klare, unterrnehmerische Haltung zum Thema Pflege entwickeln
Entwickeln Sie als Unternehmen eine klare Haltung, wie in Ihrem Unternehmen mit dem Thema Pflege umgegangen wird. Machen Sie daraus eine Unternehmenspolitik und schulen Sie die Führungskräfte entsprechend. Derlei Gesprächssituationen können auch für die Führungskräfte belastend sein.
2.) Eine/n interne/n Ansprechpartner_in für das Thema Pflege benennen
Definieren Sie ein Verfahren, wie betroffene Mitarbeiter_innen auf sich aufmerksam machen können bzw. wo sie nähere Informationen erhalten. Eine Ansprechperson, die fit ist im Thema Pflege, kann dabei als Erstanlaufstelle fungieren oder als Clearingstelle, die dort hilft, wo es zu Konflikten zwischen Mitarbeiter_innen und Führungskräften kommt.
3.) Die Führungskräfte stärken und senisbilisieren
Damit eine Kultur entsteht, in denen betroffene Mitarbeiter_innen ohne Angst Bedarfe nennen können, müssen die Führungskräfte für das Thema Pflege und die damit zusammenhängenden Bedürfnisse sensibilisiert werden. Wichtig ist es, den Gesamtrahmen und die Bedeutung des Themas deutlich zu machen. Und den gewünschten Umgang klar zu kommunizieren.
4.) Lösungen finden, wie temporäre Ausfälle überbrückt werden können
Es ist davon auszugehen, dass die kurzfristigen Auszeiten massiv steigen werden. Zwar ist jeder Fall anders, trotzdem sollten grundsätzliche Überlegungen zu Vertretungen, etc. schon im Vorfeld angestellt werden, da gerade Fälle von Pflegekarenz aller Voraussicht nach eher unvorhergesehen passieren werden. Auch Alternativmöglichkeiten, etwa einen Teil der Zeit von zu Hause aus arbeiten zu können, sollten überlegt werden.
5.) Informationen für die Mitarbeiter_innen
Zuletzt ist es wichtig, alle Überlegungen auch an die Mitarbeiter_innen zu kommunizieren. Das lässt zum einen eine Kultur der Wertschätzung und Angstfreiheit entstehen, zum anderen können nur so Fälle von spontanen Kündigungen aufgrund von Pflege vermieden werden. Studien haben gezeigt, dass zahlreiche Arbeitnehmer_innen bei Eintritt eines Pflegefalles in der Familie einfach kündigen, oft ohne dass de/die Arbeitgeber_in überhaupt weiß weshalb.
6.) Weitere Unterstützungsleistungen andenken
Es gibt noch eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten, Mitarbeiter_innen die jemanden pflegen, sinnvoll zu unterstützen. Das Ausrichten von Informationsvorträgen, ein Employee Assistance Programm, die Kooperation mit Pflegenetzwerken sind nur ein paar Beispiele dafür. Auch finanzielle Notfallsfonds und ähnliches sind denkbar und sollten erwogen werden.